Es ist Dezember und das ist klassischerweise die Zeit für Jahresrückblicke. Ich hatte dieses Jahr ganz liebenswerte Paare, wundervolle Trauungen und einige super individuelle Traurituale. Ein besoners aufwändiges und dadurch wahnsinnig persönliches davon möchte ich euch heute vorstellen. So bekommt ihr auch einen Einblick, wie so ein kreativer Prozess ablaufen kann.
1. Die Idee
Beim Vorbereitungsgespräch haben wir natürlich über das Thema Trauritual gesprochen. Das Paar hatte auch schon einige Ideen dazu. Also: Brainstorming. Am Ende hatten wir eine Vorstellung davon, was es in etwa werden sollte. Ähnlich wie ein Sammelarmband, an das man für jedes Lebensereignis einen neuen Anhänger befestigt, wollten die beiden die Meilensteine ihrer Beziehung in Form von symbolischen Gegenständen festhalten. Da in der Geschichte der beiden (unter anderem) Wasser, Seen, Boot fahren eine besondere Rolle spielt, sollte die Umsetzung maritim anmuten. Also lag es nahe, mit einem Tau zu arbeiten. Dieses sollte nach der Hochzeit dekorativ in der Wohnung aufgehängt werden und in Zukunft immer weitere Anhänger bekommen.
2. Die Vorbereitung
Gemeinsam hatten wir also eine Idee entwickelt. Nun hieß es für mich, die konkrete Umsetzung zu planen. Dabei habe ich mir Folgende Fragen gestellt:
a) Was für ein Tau nehme ich?
Wie dick muss es sein? Wie lang muss es sein? Ich habe mit einem günstigen Kunststoffseil, das ich noch zu Hause hatte, herumprobiert und mich dafür entschieden, das Tau zu verknoten (so wie man es beim Pferdestrick macht). Mit meinem Teststück habe ich dann ausgerechnet, dass ich 5m Seil mit 2cm Durchmesser brauche. Ich habe mich für ein gedrehtes Baumwollseil entschieden, weil das einfach am schönsten aussieht und maritim wirkt.
b) Wie soll es später an der Wand hängen?
Darüber muss man natürlich nachdenken, bevor man alle Knoten knüpft. Denn es soll auf keinen Fall nach der Hochzeit wieder alles aufgedröselt werden. Und es soll in der Wohnung später ja auch dekorativ aussehen. Deshalb haben wir uns noch einmal beraten und entschieden, dass das Tau senkrecht an einer Metallöse befestigt wird, die man an die Wand schrauben kann.
c) Welche Anhänger kommen daran?
Das war bei weitem der aufwändigste Part. Wir hatten im Vorfeld besprochen, welche Meilensteine es gibt und welche Gegenstände diese symbolisieren sollten: Ein Kaffeebecher, ein Schlüssel, eine Waage, ein Stück Pizza, ein Motorboot. So weit, so gut. Damit sie zusammen ästhetisch harmonisch wirken, mussten diese natürlich alle eine ähnliche Größe haben. Zwischen 5-10 cm. Nach einigen Stunden vergeblicher Onlinesuche musste ich erstmal kapitulieren. Es war unmöglich, alle diese Teile zu finden, noch dazu in der passenden Größe und vom Stil her so, dass es nicht wirkt wie gewollt und nicht gekonnt. Aber getreu dem Motto: was nicht passt wird passend gemacht! habe ich eine Lösung für das Problem gefunden. 3D-Druck. Zunächst habe ich also alle Formen einmal als Prototyp gedruckt, um zu sehen, wie man damit weiterarbeiten kann. Ich habe die Teile abgeschliffen, grundiert, mit Acryfarben bemalt und zum Schluss mit Klarlack versiegelt. Dann noch ein Loch reinbohren und eine Kordel durchziehen – fertig.
3. Einbettung in die Rede
So viel zum handwerklichen Teil. Aber das Ganze soll natürlich sinnvoll in die Rede eingebettet werden. Man will ja nicht plötzlich ein Seil aus dem Hut zaubern und alle fragen sich, was das jetzt soll. Also habe ich mir die Symbolik des Seils noch einmal vor Augen geführt und diese auf die Liebe übertragen. Ein Auszug daraus klingt so:
„Aus den zarten Fasern der Baumwollpflanze wird in vielen Arbeitsschritten ein Seil,
das stabil genug ist, um großen Kräften standzuhalten.
Ein Seil, das Dinge verbinden und zusammenhalten kann.
Das einen fesseln kann.
Das sicheren Halt gibt, ohne dabei steif und starr zu sein,
sondern stattdessen Freiräume ermöglicht.
Ein Seil, das etwas aushält, das Belastungen standhalten kann.
Das unter Zug ganz fest und unnachgiebig sein kann.
Das in Entspannung aber auch ganz weich und locker ist.
All diese Eigenschaften habt ihr beide, wie dieses Seil in meinen Händen,
im Laufe eures Lebens erworben.
Und indem ihr euch miteinander verbunden habt,
ist dieses Seil zu einem noch viel stärkeren Tau geworden.
All die kleinen und großen Momente, die ihr miteinander teilt,
kann man sich als einen Knoten in diesem Tau vorstellen,
der euren Zusammenhalt noch weiter stärkt.“
4. Umsetzung
Wie so oft ist das, was man bei der Hochzeit sieht, ein Bruchteil dessen, was alles davor passiert ist.
Nach dem Ja-Wort und dem Ringtausch folgte bei der Trauung das Ritual. Wir ließen die großen Meilensteine der Paargeschichte noch einmal Revue passieren und zu jedem flochten die beiden einen Gegenstand in ihr Tau ein. Als Überraschung hatte ich noch einen goldenen Ring dabei, der für die Hochzeit eingeflochten wurde. Die Enden des Seils blieben offen, denn in Zukunft kommen sicher noch viele große und kleine Glücksmomente, wichtige Meilensteine im Leben der beiden dazu.
